Arzneimittelgeschichte im 20. Jahrhundert

Arzneimittelgeschichte im 20. Jahrhundert

Organisatoren
DFG-Netzwerk „Arzneimittelgeschichte im 20.Jahrhundert“
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.10.2008 - 10.10.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Matthias Hoheisel, Institut für Geschichte der Medizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin

Vom 8.-10. Oktober fand in Berlin ein Workshop des DFG-Netzwerks „Arzneimittelgeschichte im 20.Jahrhundert“ statt. Die Mitglieder des Netzwerks stellten in diesem Rahmen Beiträge zu einem einführenden Sammelband in die Arzneimittelgeschichte vor, die ausgiebig kommentiert und diskutiert werden konnten. Um das heterogene Forschungsfeld für dieses Vorhaben zu rahmen, sollten die Teilnehmer anhand eines Arzneistoffes exemplarisch die Ereignisse eines Jahres darstellen.

Im Jahr 1910 konnte Paul Ehrlich seine langjährigen Kontakte zur Erprobung und Zulassung des Salvarsans nutzen. AXEL HÜNTELMANN (Bielefeld) hob in seinem Beitrag die zentrale Position Ehrlichs in dessen sternförmig gestalteten Forschungsnetzwerk hervor. Die von Ehrlich etablierten und immer weiter ausdifferenzierten Kontrollmechanismen im Kontakt mit Mitarbeitern, Klinikern und externen Forschern deutete Hüntelmann als notwendige Geburtshelfer der Chemotherapie.

In seinem Kommentar verwies CHRISTOPH FRIEDRICH (Marburg) darüber hinaus auch auf die Bedeutung der Rezeptortheorie, welche bis heute paradigmatisch für die Entwicklung von Arzneistoffen sei. Ehrlich habe mithin nur wegen seiner enormen chemischen Fachkenntnisse als zentraler Forschungsorganisator fungieren können.

Seit 1927 stand für die Behandlung der Rachitis-Erkrankung das künstlich hergestellte Vigantol zur Verfügung. HEIKO STOFF (Braunschweig) bemerkte, dass die Vergabe von Lebertran eine auch lange darüber hinaus verbreitete Praxis in vielen Haushalten gewesen sei. Dies baute Stoff zu der These aus, dass es sich bei den unterschiedlichen Therapieformen der Rachitis um konkurrierende Konzepte von staatlicher und privater Prophylaxe handle. Hier könne eine staatliche Allianz mit den Produzenten moderner, „wissenschaftlich-chemischer“ Arzneimittel beobachtet werden, dem erzieherische Normen des bitteren „natürlichen“ Lebertrans im Hausgebrauch entgegenstünden.

URSULA KLEIN (Berlin) konnte in dem Beitrag von Stoff die Überblendung von originär wissenschaftsgeschichtlichen mit sozialhistorischen und kulturgeschichtlichen Motiven entdecken. Gehe man den sozialhistorischen Implikationen der Rachitis als einer Erkrankung der unteren Schichten oder dem kulturgeschichtlichen Einfluss der Reformbewegungen konsequent nach, so ließen sich vermutlich sogar weitere Argumente für die Koexistenz beider Therapieformen finden. Sie plädierte jedoch dafür, mögliche Hypothesen für eine solche Koexistenz methodisch getrennt zu bearbeiten und sich dezidiert einer Perspektive zu widmen.

Anhand der letzten Ausgabe von Louis Lewins „Lehrbuch der Toxikologie“ von 1929 ging BETTINA WAHRIG (Braunschweig) der gescheiterten Etablierung der Toxikologie als eigenständiges Fachgebiet nach. Hierbei rückte sie die Bruchstelle der mit Lewin endenden „Art, Toxikologie zu betreiben“ in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Immer wieder hatte dieser seine Kasuistiken gezielt mit politisch-moralischen Forderungen verbunden. Wahrig stellte die Bedeutung des von ihr gewählten Jahres als einen Endpunkt dieser Wissensform heraus, der gleichermaßen auch Ausgangspunkt für die Vereinnahmung toxikologischer Forschung durch andere Disziplinen gewesen sei.

Ursula Klein hob die Sonderstellung des Beitrags hervor, der im Spiegel von Stoffgeschichte die sich formierenden und transformierenden Wissensdisziplinen untersuche. Für die Betrachtung solch einer Disziplinengeschichte regte Klein an, die Umorganisation toxikologischen Wissens auch im Spannungsfeld von Anwendungs- und Forschungswissenschaften zu betrachten, welche insbesondere für die spätere Zuordnung der Toxikologie zur klinischen Pharmakologie bedeutsam gewesen sei.

BEAT BÄCHI (Bielefeld) untersuchte anhand von Archivmaterial der Firma Hoffmann-LaRoche die Werbemetaphern für deren erstes Vitamin C-Präparat „Redoxon“, die sich im Jahr 1933 entscheidend wandelten. So habe die Marketing-Abteilung des Unternehmens sich an zeitgenössischen systemischen Vorstellungen orientiert, die Bächi als „protokybernetisch“ bezeichnete. Auf diese Weise habe man für den Stoff das Bild eines Funktionsmittels etabliert, welches als eine „Dauerprävention gegen jede Form von Leistungsabfall“ wirken konnte.

ULRIKE THOMS (Berlin) fragte danach, wie genau sich die Normierung der Vitaminmangelerscheinungen als Erkrankungsbild historisch bestimmen ließen. Kann der Einfluss der kybernetischen Theoriebildung auf die Prägung von Hypovitaminosen als behandlungsbedürftige Störungen eingehender zeitlich und inhaltlich bestimmt werden? Hierfür könnten etwa Recherchen zu den Kaufmotivationen der Konsumenten ergiebig sein. Die Popularität von Vitaminen, die bereits zur Zeit der Lebensreformbewegungen in den 1920er-Jahren bestanden habe, müsse ebenso in Betracht gezogen werden, wie die normierende Funktion der Ärzte, wenn sie das Medikament verschrieben.

Im Jahr 1935 wurde die chemische Formel des Testosterons gleich dreimal entdeckt. Dies nahm CHRISTINA RATMOKO (Zürich) zum Anlass, nach den Bedingungen zu fragen, die diese Koinzidenz ermöglicht hatten. Sie spürte an ihrem Fallbeispiel dem nicht seltenen Phänomen von Mehrfachentdeckungen nach, indem sie die Suchbewegungen der verschiedenen Akteure nach geeigneten Ausgangsmaterialien und chemischen Testverfahren in einer Situation länderübergreifenden interdisziplinären Austauschs und erheblicher Konkurrenz nachzeichnete. Hierbei blendete sie vom Entdeckungsjahr aus zurück in die vorgelagerte Zirkulation von Ideen und Stoffen.

Die Mehrfachentdeckung hob CHRISTOPH GRADMANN (Oslo) als ein bedeutendes arzneimittelgeschichtliches Sujet hervor. Zur Überarbeitung regte er einerseits einen strukturellen Blick auf die immer bedeutsamer werdenden standardisierten Kontrollregimes von Prozessen in Arzneimittelforschung und -produktion an. Andererseits käme auch eine detailliertere biographische Skizze der Forscher in Frage, die deren persönliche Motivationen und ihre Forschernetzwerke genauer in den Blick nähme. Er hinterfragte erneut die Verwendung einer „Geburtsmetapher“ für Medikamente, die an eine positivistische Entdeckungsgeschichte erinnere.

Die Anstrengungen der deutschen Forschungsinstitute, mit dem Sontochin ein Mittel zur Malariabekämpfung zu etablieren, nahm MARION HULVERSCHEIDT (Berlin) zum Anlass, um die spezifischen Bedingungen und von Arzneimitteltestung und -produktion im Kriegsjahr 1942 zu thematisieren. Mit ihrem Beitrag thematisierte sie die Erprobung und Produktion eines später nicht erfolgreichen Medikaments anhand von Quellen aus Militär-, Bundes- und Industriearchiven.

CAY-RÜDIGER PRÜLL (Freiburg) ermunterte dazu, den Misserfolg der Sontochin-Therapie in der Malariabekämpfung noch weitreichender auf die Kriegsbedingungen zu beziehen. Für eine Erweiterung des Beitrags könnten aber auch die künstliche Erprobung von Malariatherapeutika an Häftlingen sowie der Misserfolg der Etablierung bei „natürlichen Krankheitsverläufen“ sowohl unter forschungspraktischen, als auch ethischen Gesichtspunkten berücksichtigt werden. Schließlich seien die Differenzen zwischen amerikanischen und deutschen Forschungsprogrammen eingehender zu thematisieren.

Im Jahr 1957 erhielt die vom Schweizer Arzt Paul Niehans propagierte Frischzellen-Kur besondere Aufmerksamkeit in den öffentlichen Medien, nachdem die Therapie unabhängigen Wirksamkeitsüberprüfungen nicht standgehalten hatte. Hierfür untersuchte HANS-GEORG HOFER (Bonn) die medialen Bilder, welche die Diskurse um den therapeutischen Wert der Kur in diesem Jahr bestimmten. In ausführlicher Weise reihte er die Kritik an der ikonisierten Arztgestalt Niehans in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein.

Anknüpfend an den Beitrag von Hofer skizzierte HEIKO STOFF einige arzneimittelgeschichtliche Themen, die er mit Untersuchungen zu den Verjüngungskuren des frühen 20. Jahrhunderts parallelisierte. Er betonte die starke Chemisierung und Modernisierung der artifiziellen Leistungssteigerung – eine Beobachtung, die sich auch auf die Nachkriegsgesellschaft übertragen lasse. In der weiteren Diskussion interessierten sich die Teilnehmer besonders für sozialhistorische Indikatoren der Therapie, wie die Verfügbarkeit, den Preis und die geschlechtsbezogene Darstellung in der Presse.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Beiträgen der Tagung fokussierte VIOLA BALZ (Berlin) lediglich auf zwei Monate des Jahres 1953. Anhand einer Fallstudie von Patientenakten, an denen sich die Praxis der Erprobung des Chlorpromazins rekonstruieren lässt, belegte sie den unsicheren Status der empirischen Beobachtungen für den Wirksamkeits-Nachweis der Substanz. Sie betonte die ordnende und selektierende Tätigkeit der Psychiater, um aus den Selbstbeschreibungen und Verhaltensweisen der Patienten Effekte herauszulesen. Hieran machte Balz fest, wie zur Verfügung stehende Forschungsergebnisse im lokalen Wissenskontext der Klinik reproduziert und stabilisiert wurden.

Die enge zeitliche Fokussierung des Beitrags ließ LEA HALLER (Zürich) nach möglichen Ergänzungen um die industrielle Praxis der Arzneimittelerprobung, die weitergehende Form der Anwendung dieser Medikamente in der Klinik sowie den zeitlichen Rahmen der Erprobung fragen. Haller konfrontierte die Autorin auch mit der leicht moralischen Konnotierung des Beitrags, deren Ursprung sie in der ungewöhnlichen Verschränkung des analytischen Konzepts vom „Experimentalsystem Klinik“ mit einer Patientenperspektive verortete.

„Brigade Propaphenin arbeitet an der Ablösung des Megaphens“ taufte ULRIKE KLÖPPEL (Berlin) ihren Beitrag, der für das Jahr 1954 exemplarisch die frühe Praxis der Arzneimittelregulierung in der DDR in den Blick nahm. Klöppel verfolgte dabei anhand von Aktenmaterial aus den verstaatlichten Arzneimittelwerken in Rodleben sowie aus dem DDR-Gesundheitsministerium die Versuche das teure Importmedikament Megaphen in der DDR nachzusynthetisieren. Sie schilderte die Schwierigkeiten des Werks, das Medikament unter den Bedingungen knapper Ressourcen im ausreichenden Maße für die klinische Anwendung bereitstellen zu können und zeigte die den planwirtschaftlichen Regulationspraktiken inhärenten Gestaltungsspielräume auf.

CARSTEN TIMMERMANN (Manchester) verwies auf Untersuchungen zur Praxis der Arzneimittelregulation in Westdeutschland, die vergleichend herangezogen werden könnten. Zwar müsse davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl prekärer Situationen und Fehlschläge dort nicht so detailliert abzubilden seien, da entsprechende Archivunterlagen im Firmenbesitz seien. Timmermann regte dennoch an, die Charakteristika der spezifischen Regulierungskultur in der DDR vor diesem Hintergrund weiter zu verallgemeinern. Einige Teilnehmer hoben daraufhin die Notwendigkeit hervor, spätere Phasen des staatlichen Umgangs mit Arzneistoffen in der DDR in den Blick zu nehmen, da hier im Vergleich zu den 1950er-Jahren wesentliche Unterschiede hinsichtlich der dogmatischen Eingrenzung von innerstaatlicher Konkurrenz zu vermuten seien.

Infolge der Einnahme von Phentermin verstarben 1969 zwei Patientinnen. Die Bewertung dieser Sachlage durch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft veranlasste NILS KESSEL (Freiburg) dazu, in seinem Beitrag nach der spezifischen Konfiguration zu fragen, welche die Risikobewertung von neuen Arzneimitteln in Folge des Contergan-Skandals bestimmte. Kessel stellte dabei die institutionalisierte Form der Risikobewertung nach der großen Katastrophe von 1961 in den Mittelpunkt seines Beitrags, die trotz der geringen und sehr umstrittenen Zahl der Todesfälle nach Anordnung des BGA zu einer schnellen Rücknahme der Marktlizenz des Medikaments geführt hatte.

VOLKER HESS (Berlin) ermutigte in seinem Kommentar dazu, weitere verallgemeinernde Hypothesen zur Regulationskultur des bundesdeutschen Arzneimittelmarktes nach dem Contergan-Zwischenfall zu entwickeln. In den geschilderten Vorgängen konnte Hess die Einführung statistischer Evidenzkriterien für die Risikoabschätzung erkennen. Weiterhin könne der Bezug von Öffentlichkeit und institutionalisierter Kontrolle noch stärker betont werden. Im Kontext der bereits problematisierten Klasse der Appetitzügler ließe sich die „Skandalisierung“ der Ereignisse als Hinweis auf die stille Präsenz der Presseöffentlichkeit in den „geschlossenen Räumen“ der Regulierungsbehörden lesen.

In einem Gastvortrag beleuchtete WOLFGANG BECKER-BRÜSER vom Berliner „arznei-telegramm“ die Entstehung der ersten unabhängigen Arzneimittelinformations-Blätter. Er chronologisierte dabei weltweit Erstveröffentlichungen dieser Art und verwies auf die frühe Tendenz zur weltweiten Vernetzung der Bewegung.

Der Skandal um die fruchtschädigenden Wirkungen des Contergans stellt für die Arzneimittelgeschichte insofern eine Ausnahme dar, als dass sie bereits Gegenstand etlicher Untersuchungen geworden ist. ALEXANDER VON SCHWERIN (Braunschweig) analysierte anhand der Berichterstattung des SPIEGEL und einiger Kommissions-Protokolle der involvierten Behörden die Verschränkung der Diskurse über Strahlenschäden und Arzneimittelnebenwirkungen. So ließe sich im Krisenjahr 1961 die Verbindung von Diskussionen über die Folgen radioaktiver Exposition und über unerwünschte Arzneimittelwirkungen am Terminus der „mutagenen Agenzien“ belegen.

CARSTEN REINHARDT (Bielefeld) formulierte einige Erweiterungsmöglichkeiten für von Schwerins Beitrag, den er insgesamt als sehr voraussetzungsreich bewertete. Grundsätzlich stelle sich die Frage, wie die geschilderten Diskurse von den Bürgerrechtsbewegungen, den in der Folge etablierten Regulierungsstellen und der humangenetischen und pharmazeutischen Forschung rezipiert worden seien. Wiederum verwies Reinhardt auf die Spannung der konzeptuellen Einengung auf ein „besonderes“ Jahr. Hierdurch werde es erschwert, dem für die Contergan-Katastrophe seiner Ansicht nach konstitutiven Zögern von Regulierungsbehörden und Gesetzgeber und der bis in die heutigen Zeit andauernden Präsenz der Geschädigten in der Öffentlichkeit nachzuspüren.

Mit den Vorbereitungen zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes von 1976 erreichte die zwischen Homöopathen und klassischen Schulmedizinern stets strapazierte Anerkennung der „gegnerischen“ Evidenzkriterien einen neuen Höhepunkt. Vor diesem Hintergrund schilderte NICHOLAS ESCHENBRUCH (Freiburg) den schwierigen Doppelblind-Versuch zur Wirksamkeit von Stinkwurz (asa foetida) und Brechnuss (nux vomica). Vom Abbruch der Studie im Jahr 1974 wagte Eschenbruch einen Ausblick auf die Lobbyarbeit Mössingers, der sich nun auf politischem Wege bemühte, der Therapie zu Anerkennung zu verhelfen.

CHRISTINE HOLMBERG (Berlin) regte an, die aufgezeigten Schwierigkeiten in der Durchführung des Doppelblind-Versuchs über den Rahmen der Homöopathie hinaus auszuweiten. Es müsste problematisiert werden, welche Beobachtungen charakteristisch für die alternativmedizinische Auseinandersetzung mit dem Aufkommen von statistischen Evidenzkriterien für klinische Wirksamkeit seien. So könne etwa die im Beitrag sehr strenge Assoziation statistischer Methoden mit der schulmedizinischen Forschung relativiert und eventuell eine größere Nähe der „radikalen Empirie“ von schulmedizinisch geprägten praktischen Ärzten und Homöopathen aufgezeigt werden.

Abschließend kommentierte BETTINA WAHRIG die Tagungsergebnisse. Sie fragte danach, zu welchen Ergebnissen die erzwungene Fokussierung auf ein bestimmtes Jahr geführt habe und diskutierte die Stärken und Schwächen der von ihr identifizierten Narrative. Die Autoren des Tagungsbandes hätten ihren methodischen Anspruch besonders dahingehend zu präzisieren, welche Funktionen die genealogisch bestimmbaren Vor- und Nachgeschichten ihres Jahres als eines „Verdichtungspunktes“ von Geschichte einnähmen und für wie notwendig sie die zeitgeschichtliche Kontextualisierung ihrer Beiträge hielten.

Die abschließende Diskussion nahm nochmals die erzeugten narrativen Strukturen und die Erzählzeit der Beiträge in den Blick. Sie belegte die inzwischen weit ausdifferenzierte neuere Historiographie der Arzneimittelgeschichte, die gleichzeitig eine Reflektion über in unterschiedlichsten methodischen Traditionen verankerte Forschungsfelder notwendig macht. Die Beitragenden und Kommentatoren hatten sich offensichtlich intensiv und textnah vorbereitet und konnten so eine produktive und konzentrierte Zusammenarbeitet kultivieren, die der überaus regen und vielstimmigen Diskussionskultur der Tagung Vorschub leistete.

Kurzübersicht:

Begrüßung und Einleitung
(Viola Balz, Nicholas Eschenbruch, Marion Hulverscheidt)

Axel Hüntelmann: 1910. Salvarsan und die Geburt der Chemotherapie
Kommentar: Christoph Friedrich

Heiko Stoff: 1927. „Dann schon lieber Lebertran“ – Ein Streit über die Rachitisprophylaxe
Kommentar: Ursula Klein

Bettina Wahrig: 1929. Louis Lewin und das Ende der Gifte
Kommentar: Ursula Klein, Berlin

Beat Bächi: 1933. Mikrochemie der Macht. Vitamin C und die Entstehung kybernetischer Körpermetaphern
Kommentar: Ulrike Thoms

Christina Ratmoko: 1935. Testosteron erblickt das Licht der Laborwelten
Kommentar: Christoph Gradmann

Marion Hulverscheidt: 1942. Malariaforschung im Krieg: Sontochin, wissenschaftliche Konkurrenz und forschungspolitische Kongruenz
Kommentar: Cay-Rüdiger Prüll

Hans-Georg Hofer: 1957. Frischzellen-Fama. Paul Niehans und die westdeutsche Aufbaugesellschaft der 1950er Jahre
Kommentar: Heiko Stoff

Viola Balz: 1953. „Doch bleibt die Entscheidung offen, ob die paranoiden Gedankengänge durch das Chlorpromazin wirklich an Realitätswert verloren haben“ Die PatientInnen in der Chlorpromazinerprobung an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg
Kommentar: Lea Haller

Ulrike Klöppel: 1954. „Brigade Propaphenin arbeitet an der Ablösung des Megaphens“. Die DDR-Psychopharmakologie zwischen dem Aufbruch zu einer anspruchsvollen Arzneimittelregulierung und den Niederungen der Mangelwirtschaft
Kommentar: Carsten Timmermann

Nils Kessel: 1971. Vom Menetekel der Moderne zum Regulierungsproblem. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Arzneimittelzwischenfalls am Beispiel des Appetitzüglers Phentermin
Kommentar: Volker Hess

Wolfgang Becker-Brüser: Zur Geschichte der unabhängigen Arzneimittelinformation

Alexander von Schwerin: 1962. Das Ende der Naivität. Contergan, der Arzneimittelskandal und die Westöffnung der deutschen Gesellschaft
Kommentar: Carsten Reinhardt

Nicholas Eschenbruch: 1974. Brechnuss homöopathisch. Nux Vomica und Asa Foetida im klinischen Versuch
Kommentar: Christine Holmberg

Bettina Wahrig: Schlusskommentar